Profil schärfen – die einzige Chance der Freien Wähler

Geschrieben von ProBürger am in Politik Allgemein

Profil schärfen – die einzige Chance der „Freien Wähler“

Ein weiterer Diskussionsbeitrag

Profil schärfen – die einzige Chance der „Freien Wähler“ Paul-Georg Meister – pixelio.de

Man mag von einer Sinnkrise bei den „Freien Wählern“ sprechen, nachdem bei der niedersächsischen Landtagswahl kein Durchbruch erzielt wurde. Doch Krisen können durchaus produktiv sein, so sie denn zum Nachdenken und Neuformieren genutzt werden. Wolfgang Hübner und G. Andreas Kämmerer haben bereits auf dieser Kommentarseite wertvolle Gedanken in diesem Sinne formuliert. Diese sollen nun noch ein wenig ergänzt bzw. vertieft werden.
Wolfgang Hübner hat bereits die wichtige Frage nach dem Selbstverständnis der „Freien Wähler“ gestellt. Diese ist entscheidend, denn das heterogene regionale Image der unterschiedlichen Wählergruppen muss schließlich nun für ein bundesweites Publikum „fassbar“ gemacht, also bis zu einem gewissen Grad „vereinheitlicht“, werden. Wolfgang Hübner hat verdeutlicht, dass sich die „Freien Wähler“ letztlich zwischen zwei Optionen entscheiden müssen: Wollen sie allein eine bürgerliche Alternative zu den bestehenden Parteien der schwarz-gelben Koalition sein? Oder wollen sie ein Stück weit Protestformation sein?
Beides muss sich nicht völlig ausschließen, aber ist von grundsätzlichen Überlegungen abhängig. Eine Alternative für bürgerliche Wähler muss dieser gewünschten Anhängerbasis verständlich machen, warum sie ausgerechnet „Freie Wähler“, aber diesmal nicht Angela Merkel oder Philipp Rösler wählen soll. Dazu bedarf es also einer wahrnehmbaren Abgrenzung von dem bestehenden bürgerlichen Angebot, da ansonsten für den Wähler kein Grund besteht, nun ausgerechnet bei dieser neuen Formation sein Kreuz zu machen. Dies zudem bei dem Risiko, die Stimme zu „verlieren“, da die „Freien Wähler“ an der 5-Prozent-Hürde scheitern könnten. Als Abgrenzung und besonderes bürgerliches Profil reicht es aber nicht aus, vollmundig zu verkünden, nach der Wahl eventuell auch mit „Grünen“ und SPD koalieren zu wollen. Dies nämlich können Merkel und Rösler möglichenfalls auch und viel besser, wenn es um den Erhalt ihrer Positionen geht.
Anders sieht es aus, wenn man sich als eine Protestformation gegen die Missstände des bestehenden politischen Betriebs versteht. Dann muss man zwar deutlich formulieren, wogegen und wofür man protestiert, aber die Abgrenzung zum eingefahrenen Betrieb der politischen Parteien stellt kein sehr großes Problem mehr dar.
Die „Freien Wähler“ (oder die Wahlformation an der sie sich beteiligen) müssen also so oder so ihr Profil schärfen, um überhaupt von Bürgern und Medien wahrgenommen zu werden. Dabei haben sie wohl den Spagat zu bewältigen, eine bürgerliche Klientel und Protest unter einen Hut zu bringen. Das dürfte aber gerade in der heutigen Krisenzeit kein allzu großes Problem mehr darstellen, da die Themen durch die anti-bürgerliche Politik der etablierten Politik geradezu auf der Hand liegen: Euro- und Schuldenpolitik (immerhin bereits von der Freien Wählern als Thema entdeckt), zunehmende Zentralisierungstendenzen einer anonymen EU-Bürokratie, Demokratieabbau, kaum gebremste Masseneinwanderung (zumeist in die Sozialsysteme), Gefährdung der Sicherheitslage durch Abbau von Polizeistellen, Bildungsproblematik aufgrund fehlender Finanzmittel und Sprachproblemen des nichtdeutschen Nachwuchses, Gefährdung eines effektiv arbeitenden Sozialstaates und finanzielle Ausbeutung des Mittelstandes, Raubbau an Natur und Stadtbild durch egoistisch agierendes Spekulantentum.
Verstehen sich also die „Freien Wähler“ als eine bürgerliche, nicht-extremistische Protestformation, so müssen sie sich auch keine Sorge darum machen, eventuell zwischenzeitlich rot-grünen Koalitionen ungewollt zur Macht zu verhelfen. Schließlich vollziehen die gegenwärtigen bürgerlichen Alt-Parteien sämtliche rot-grünen Vorgaben ebenso nach, wenn auch mit etwas zeitlicher Verzögerung: Von der feministischen „Gender“-Politik, der Aufgabe nationalstaatlicher Kontrollrechte, bis zur zunehmenden Begünstigung einer den sozialen Frieden gefährdenden Masseneinwanderung oder der finanzpolitisch desaströsen Euro-Schuldenpolitik. Wer das Übel grundsätzlich angehen will, der muss eben das Risiko eingehen, das Übel erst einmal kurzfristig zu begünstigen. Jede Zahnreparatur tut eben erst einmal weh, wenn der Bohrer angesetzt wird.
Nun hat G. Andreas Kämmerer richtig festgestellt, dass eine Wahl auch eine Auswahl beinhaltet. Diese schließt zumeist die Ablehnung weiterer Wahlentscheidungen ein. Allerdings muss man erkennen, dass dies vor allem für kleine, neu entstehende Protestformationen zutrifft. Konsolidieren sich Parteien, werden sie gar zu „Volksparteien“, dann leben sie gerade davon, mehrere Wahlentscheidungen in sich zu vereinen und so die eigene Anhängerbasis groß zu halten. Wer alles anbietet, kann also durchaus auch viele Käufer finden, so er denn einmal auf dem Markt etabliert ist.
Das trifft sich mit den ambivalenten Empfindungen vieler bürgerlicher Wähler. Wer beispielsweise aus finanziellen und praktischen Überlegungen gegen einige Klimaschutzmaßnahmen aufbegehrt, kann nämlich gleichzeitig durchaus das Ziel des Umweltschutzes begrüßen. Wer die Auspressung des Mittelstandes und den Zuzug in die Sozialsysteme kritisiert, kann sich gleichzeitig für den Erhalt des Sozialstaates einsetzen, um wirklich bedürftigen Bürgern unter die Arme zu greifen. Wer sich für den Erhalt von Traditionen stark macht, ist nicht automatisch gegen fortschrittliche Verbesserungen unserer Lebensverhältnisse. Politik ist nicht nur ein entweder-oder, sondern auch ein sowohl-als-auch.
Dennoch ist G. Andreas Kämmerers Analyse treffend, da sie sich auf „kleine, junge, unbekannte Parteien“ bezieht, folglich also auch die „Freien Wähler“ in ihrem gegenwärtigen bundespolitischen Zustand. Hier ist ein scharfes, sich von dem bestehenden politischen Angebot klar abgrenzendes Profil nötig, um überhaupt eine Chance zu haben, die nötige Aufmerksamkeit für den Sprung über die 5-Prozent-Hürde zu erhaschen. Nur so kann man die an vielen Ecken erkennbare Wut der Bürger kanalisieren. Nur so kann man auch zumindest Teile des heute brach liegenden Großareals der Nichtwähler erreichen und mobilisieren. Und die Nichtwähler sind wichtig, da die Stammwählerschaft der etablierten bürgerlichen Parteien sich bislang noch als sehr träge hinsichtlich eines Wechsels im eigenen Wahlverhalten gezeigt hat.
Eine Profilschärfung gelingt einerseits über Stellungnahmen, noch viel stärker aber über Bilder. Es wird also eine zentrale Aufgabe der „Freien Wähler“ oder der Formation, an der sie sich in Zukunft bundesweit beteiligen, sein, ein „corporate design“ zu entwickeln. Und dies geht über Plakatgestaltung weit hinaus. Es geht um klar zuzuordnende Symbole, Slogans, Geschichten, Assoziationen. Diese sind es letztlich, die die Wählermassen zu mobilisieren in der Lage sind. Und dieses Feld der Emotion darf nicht länger der etablierten Politik überlassen bleiben.
Marlis Licht

 

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