Frankreich ist das zukünftige Problem in der Eurozone!

Geschrieben von ProBürger am in Politik Allgemein

 

Das größte Problem ist Frankreich

„Wolfgang Schäuble irrt“, stellte jüngst Frankreichs Finanzminister Michel Sapin in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt fest. Dem kann man unbedingt zustimmen – allerdings aus anderen Gründen wie sie der französische Minister vorbringt.

Sapin kritisierte Schäuble für dessen Idee eines befristeten „Grexit“. Sollte ein zeitweiliger Austritt möglich sein, riskiere man, dass jedes sich in Schwierigkeiten befindende Land versuchen werde, diese Schwierigkeiten durch eine Währungsabwertung zu lösen anstatt über interne Reformen. Dabei aber sei doch die Währungsunion geschaffen worden, um dieses Ausweichen vor Problemen unmöglich zu machen. Die Staaten sollten tatsächlich daran gehen, ihre Probleme durch strukturelle Reformen zu lösen.

Mit diesem Ansatz hat Sapin durchaus Recht: Eine Währungsabwertung allein löst niemals die zugrundeliegenden Probleme, sondern schafft nur kurzfristig Erleichterung. Die Zeit des europäischen Währungssystems belegt dies hinreichend. Die Währungen des Südens mussten in schöner Regelmäßigkeit gegenüber der D-Mark abwerten. Die jeweils vorgenommene Abwertung erleichterte die Beschwerden kurzfristig. Weil dadurch aber der Druck zu notwendigen Reformen ebenfalls nachließ, wurden sie auch nicht angegangen. Entsprechend mussten die Währungen bald wieder abwerten.

Übrigens argumentiert der bekannte spanische Wirtschaftswissenschaftler und Anhänger der Österreichischen Schule Huerto Jesus de Soto ähnlich wie Sapin. Er erhofft sich vom Euro genau diesen Disziplinierungseffekt. Die chronisch unzuverlässigen Staaten des südlichen Europas werden durch das Währungskorsett dazu gezwungen, sich endlich ökonomisch vernünftiger zu verhalten. Dank des Euro werden deren Politiker aufhören, ihren wirtschaftlichen Schlendrian durch Währungsabwertungen auf Kosten ihrer Bürger fortzusetzen.

Davon abgesehen, dass die Idee des Euros als ein Disziplinierungsinstrument mit der Möglichkeit eines befristeten Austritts aus der Gemeinschaftswährung zerbricht, ist ein befristeter Ausstieg auch irgendwie unlogisch. Wenn es der betreffenden Wirtschaft gelingt, sich außerhalb der Gemeinschaftswährung wieder zu erholen, wieso sollte sie sich dann nach besagter Erholung wieder unter das Währungsjoch begeben? Eine neuerliche Krise wäre dann doch absehbar. Insbesondere, wenn in der Zwischenzeit nicht entsprechende Reformen umgesetzt wurden. Diese aber werden ja nur durch den Druck des Währungskorsetts angegangen. Sobald stattdessen das Instrument der Abwertung zur Verfügung steht, werden die Reformen für unbestimmte Zeit in die

Zukunft verschoben – schließlich kosten unangenehme Reformen in aller Regel Wählerstimmen. Eine Formel, die von der Biskaya bis zur Ägäis Geltung hat.

Wie dem auch sei. Sapins Ausführungen sind theoretisch sehr richtig, aber sie haben leider einen sehr großen Pferdefuß. Sie haben mit der französischen Praxis nichts zu tun. Frankreich ist, neben Italien, das eigentliche Kernproblem der EU. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone chronisch reformunwillig, obwohl es auf den Ruin zusteuert. Das Defizit liegt seit Jahren deutlich über der einstmals vereinbarten 3 Prozent Marke – in diesem Jahr voraussichtlich bei 4,1 Prozent des BiP. Der Grand Nation mussten im Frühjahr dieses Jahres bereits 2 Jahre Aufschub bei der Haushaltskonsolidierung gewährt werden und schon jetzt zeichnet sich ab, dass dies wohl nicht ausreichen wird. Entsprechend hat die Staatsverschuldung inzwischen fast die 100% Marke des BiP erreicht.

Zwar wird für 2015 mit einem gegenüber dem Vorjahr doppelt so hohen Wirtschaftswachstum gerechnet, aber 0,8 Prozent sind eben immer noch sehr bescheiden. Zudem liegen zwischen hochgerechnetem Wirtschaftswachstum und dem dann erreichten oftmals Welten. Insbesondere dann, wenn Politiker selbst die Rechnung machen. In jedem Fall wird sich die hohe Arbeitslosigkeit mit einem solchem Zuwachs nicht in den Griff bekommen lassen. Jenseits der 10 Prozent liegt die offizielle Arbeitslosenquote, wobei besonders verheerend ist, dass jeder vierte Franzose zwischen 20 und 24 Jahren ohne Arbeit ist. Hier wächst, genau wie in Griechenland, Spanien oder Italien, eine „verlorene“ Generation heran.

Frankreich müsste seine komplette Industriepolitik ändern. Die Idee der „nationalen Champions“ ist auf ganzer Linie gescheitert. Statt echter Champions gebiert sie einen Sanierungsfall nach dem anderen. Als jüngstes Beispiel mag der halbstaatliche Atomkonzern Areva dienen. 5 Milliarden Euro Verlust fuhr der Konzern 2014 ein, bis 2017 liegt der Finanzbedarf bei mindestens 7 Milliarden Euro. Der Staatskonzern EDF eilte zur Rettung und übernahm die Reaktorsparte, für den Herbst sagte Paris weitere Finanzspritzen zu – als größtem Anteilseigener bleibt der französischen Regierung auch kaum eine andere Wahl. Jeder größere Konzern in Frankreich muss den Markt nicht fürchten. Im Zweifelsfall greift der Staat unterstützend ein.

Die sehr sanften Reformen seines Vorgängers machte Francois Holland im ersten Regierungsjahr vollständig rückgängig. Stattdessen schimpfte er auf die „Reichen“ und führte Sondersteuern für sie ein, womit er viele Vermögende und erfolgreiche Unternehmer aus dem Land vertrieb. Mittlerweile scheint selbst dem eingefleischten Sozialisten Holland klar geworden zu sein, dass dieser Kurs nur in den Bankrott führen kann. Aber selbst beim besten Willen fällt das Gegensteuern schwer in einer Gesellschaft, in der sich Arbeitgeber und -nehmer nicht als Partner, sondern als verfeindete Gegner begreifen. Hier verteidigen die Gewerkschaften die Privilegien ihrer Mitglieder im Zweifel auch mit Gewalt. Die Idee, dass der Wettbewerb Wohlstandsmehrer und Innovationstreiber ist, ist den Franzosen noch viel fremder als den Deutschen. Echte Unternehmer sind selten, was sich an dem fatalen Mangel an Mittelständlern niederschlägt. Französische Jugendliche streben in überwiegender Mehrheit einen ebenso sicheren wie bequemen Posten beim Staat an. So gilt in Frankreich nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die Bürger: Im Zweifelsfall soll der Staat es richten. Wo aber das Geld für die so liebgewonnene staatliche-sozialistische Fürsorgewirtschaftspolitik hernehmen?

Damit sind wir beim eigentlichen Grund für das vehemente Eintreten des französischen Finanzministers für den Verbleib Griechenlands in der Eurozone. Eben dieser ermöglicht es den Franzosen, neue Finanzquellen aufzutun: In Brüssel. „In Brüssel“ bedeutet aber eigentlich bei den ungeliebten, ob ihrer vermeintlichen wirtschaftlichen Potenz heimlich bewunderten und zeitgleich neidisch beäugten Nachbarn, den Deutschen.

Bereits das griechische Schuldendebakel machte deutlich wie das Spiel lief und wie es weiterhin laufen soll. Französische Großbanken waren (neben den deutschen) die Hauptgeldgeber Griechenlands. Rund 80 Milliarden Euro hatten sie Athen bis 2009 geliehen. Im Gegensatz zu ihren deutschen Kollegen aber hatten sich die cleveren Franzosen nach dem ersten Rettungspakt ihrer faulen Schulden komplett entledigt. Die Hälfte haben sie dem französischen Steuerzahler aufgebürdet und den Rest in der EU verteilt. Ähnlich soll es nun auch mit den Kosten der gescheiterten, französischen Wirtschafts- und Industriepolitik laufen.

Diese sollen auf die EU verteilt werden, allen voran an Deutschland. Dies ist der tiefere Sinn des Projekts EU-Wirtschafts- und Sozialunion. Wobei es eben im eigentlichen nur um die Sozialunion geht – eine Wirtschaftsunion ist die EU ja bereits und das ist auch gut so. Dass sich die deutsche Sozialdemokratie dabei zum Steigbügelhalter der französischen Finanzinteressen macht, ist ebenso schändlich wie bezeichnend. Insbesondere die SPD hat vor lauter EU- und Eurotrunkenheit nie begriffen, dass es einigen der übrigen Mitgliedsländern in erster Linie um den Zugriff auf gut gefüllte Geldtöpfe geht. Damit steht sie in der hiesigen Parteienlandschaft freilich nicht alleine da, aber sie nimmt freudig die Vorreiterrolle für diese Politik wider die Interessen der Bürger ein. Im Rest der Eurozone trifft dieser Plan wenigstens bei den großen Euroländern auf volle Zustimmung. Angesichts der wirtschaftlichen Lage in Spanien oder Italien wäre eine Sozialunion auch für sie von großem Vorteil.

De Soto schreibt in seiner Verteidigung des Euro, dass dessen Überleben allein davon abhängt, „ob ganz Europa die traditionelle germanische Geldwertstabilität verinnerlicht und sich zu eigen macht.“ Es tritt immer offener zu Tage, dass die politischen Führer der wichtigen Eurostaaten dies keinesfalls vorhaben. Stattdessen lasten sie es der angeblichen teutonischen Sparwut und Gelddisziplin an, dass sich ihre Länder so tief in Arbeitslosigkeit, Schulden und wirtschaftliche Tristesse verstrickt haben. So wächst neben den ökonomischen Kosten auch der Dissens zwischen ehemals guten Nachbarn.

Ein Hort des Friedens und Wohlstands wird die EU auf diese Weise nicht werden, die Eurozone erst recht nicht. Im Gegenteil – längst überwunden geglaubte Ressentiments und Vorurteile brechen wieder auf. Die südlichen Eurostaaten versuchen Deutschland nicht nur die ökonomischen, sondern auch die moralischen Kosten der Krise aufzubürden. Zeitgleich macht sich hierzulande mehr und mehr der Unmut über vermeintlich faule Südeuropäer breit. Bevor dieser Konflikt am Ende nicht nur die Eurozone, sondern den Kontinent insgesamt sprengt und ins Chaos stürzt, wäre es ein Gebot der Klugheit das gescheiterte Experiment zu beenden. Der einzige vernünftige Schritt ist dabei nicht ein zeitlich befristeter „Grexit“, sondern der schnelle und dauerhafte Austritt Deutschlands aus der Währungsunion.

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