Alternative für Deutschland im Aufwind durch Zulauf aus allen Parteien!

Geschrieben von ProBürger am in Politik Allgemein

Das Rumoren des Eisbergs  
Zwischenruf aus BerlinDie Anti-Euro-Partei AfD legt in den Umfragen zu. Überspringt sie fünf Prozent, oder scheitert sie? Das kann zur entscheidenden Frage bei der Wahl werden
Hans-Ulrich Jörges
Der alte Fahrensmann ist nervös. „Ich habe ein ungutes Gefühl“, sagt Manfred Güllner, Chef des Forsa- Instituts und Meinungsforscher für den stern. Bislang war er überzeugt, dass die Alternative für Deutschland (AfD) keine Chance hat bei der Bundestagswahl.
Müde zwei Prozent Zustimmung registrierte er über Wochen für die Anti-Euro-Partei. Das aber hat sich geändert, auf drei, ja sogar über drei Prozent sind die Newcomer geklettert. Und das muss längst noch nicht das Ende sein.
„Die kriegen Zulauf“, beobachtet Güllner, vor allem vom rechten Rand der FDP. „Inzwischen habe ich Bammel davor.“ Vielleicht gelinge es den AfDlern ja doch, „reinzustoßen in den Mittelstand“. Denn über die gemessenen Umfragewerte, die bekennenden Wähler hinaus, sei mit einer Dunkelziffer verdeckter Sympathisanten zu rechnen.
Mit anderen Worten: Niemand weiß, wie groß der AfD-Eisberg unterhalb der Wasserlinie ist – und was davon am Ende, bei der Wahl am 22. September, in die Urnen hereinbricht.
Das könnten, meint Güllner, auch mehr als fünf Prozent sein.
Dann aber wäre Feuer auf dem Dach des europäischen Hauses.
Die Euro-Phobiker mit Fraktionsstärke im Deutschen Bundestag, das Rednerpult fortan als ihre propagandistische Plattform, das hätte nicht nur durchschlagende Wirkung auf die Regierungsbildung. Das könnte auch ausstrahlen auf die Euro-Rhetorik der neuen Koali- tion – ja, auf die Debatte in ganz Europa. Die Koalition könnte sich zu einem vorsichtigeren Kurs mit populistischen Tönen veranlasst sehen, was wiederum die Nord-Süd- Spaltung Europas vertiefen würde.
Psychopathologisch nennt Güllner jenen Teil des Mittelstands, der sich von Anti-Euro-Parolen angesprochen fühlt, der am liebsten zurück möchte zu D-Mark und nationalstaatlicher Politik, dem die ganze Richtung der Europäisierung suspekt ist. Der Forsa-Chef erkennt ein „latentes Potenzial von sieben bis acht Prozent zwischen Rechtspopulismus und Rechtsradikalismus“. In diesem Potenzial rumore es.
Mag sein, dass dieses Rumoren durch die Öde und Spannungslosigkeit des Wahlkampfs noch verstärkt wird, dass nun auch bürgerliche Querulanten aus purem Protest mit der AfD liebäugeln. Rechtsradikal ist die zweifellos nicht. Organisierte Euro-Skepsis ist nicht weniger legitim und demokratisch als jede andere Partei im Verfassungsbogen.
Seit ihrer Gründung genießt die professoral geprägte Partei, über interne Turbulenzen hinweg, herausgehobenes Interesse konservativer Blätter. Konrad Adam, einer der drei Vorsitzenden, schrieb für „FAZ“ und „Welt“; Alexander Gauland aus der Stellvertreterriege hat als bürgerlicher Publizist einen Namen; Hans- Olaf Henkel, Exindustriepräsident und durch Talkshows prominent geworden, hilft der AfD in den Medien.
Die weitverbreitete Ansicht, die Anti-Euro-Partei schade der Union, weil sie deren Wähler ganz besonders anspreche, ist allerdings falsch.
Die AfD holt sich ihre Anhänger aus allen Lagern, in nicht geringerem Maße auch bei der SPD.
„Das wollen wir doch erst mal sehen, wem die AfD am Ende schadet“, hat Angela Merkel intern verkündet.
Recht hat sie. Denn die Wirkung der Newcomer auf die Mehrheitsbildung im neuen Bundestag ist vertrackter und spannender als gemeinhin vermutet wird.
Schon wenige Zehntelprozente können darüber entscheiden, ob die AfD zum Verhängnis oder genau umgekehrt zum Segen für Schwarz- Gelb wird. Rückt sie dicht an die Fünfprozenthürde heran, scheitert aber davor, könnte das Union und FDP mit einem erstaunlich schlappen Wahlergebnis zum Sieg tragen.
In den vergangenen Wochen kamen die Splitterparteien – AfD, Piraten und sonstige – auf insgesamt rund elf Prozent, keine über fünf. Bliebe das so, fielen diese Stimmen unter den Tisch – und Schwarz-Gelb könnten schon 44,5 Prozent zur Regierungsbildung reichen. Überspringt die AfD hingegen die Fünfprozenthürde, zieht sie ins Parlament ein, haben Union und FDP kaum eine Chance. Angela Merkel müsste sich wohl um einen anderen Koalitionspartner bemühen. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich auszumalen, dass dann die Stimmen für eine Große Koalition lauter würden.
Berechenbarkeit und Stabilität stünden im Fokus.
Scheitert die AfD, wäre das auch ein Sieg für den Euro. Triumphiert sie, ginge es um seine Verteidigung.
Ganz so, wie die Partei heißt: Ihr Schicksal entscheidet über die Alternativen für Deutschland.
Bildunterschrift:
Hans-Ulrich Jörges, Mitglied der stern-Chefredaktion, schreibt jede Woche an dieser Stelle

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